Bernsbacher Sauerkraut

Weißkohl von seiner besten Seite – ideal für die Frühjahrskur

Der Genuss von milchsaurem Weißkohl hat in Deutschland eine lange Tradition. Er ist auf vielen Speisekarten zu finden und gilt bei Liebhabern der deftigen wie auch der feinen Küche als Delikatesse. Sauerkraut schmeckt aber nicht nur gut, es ist auch als Heilnahrung von besonderem Wert. Vor allem Magen- und Darmkranke können sich hiervon überzeugen. Wie wäre es jetzt mit einer Sauerkraut-Frühjahrskur?

An der Legende vom „edlen Sauerkraut“ als typisch „deutschem Essen“ hat schon der Dichter Ludwig Uhland fleißig mitgestrickt. Wilhelm Buschs Witwe Bolte mochte es am liebsten aufgewärmt. Spätestens nach dem zweiten Weltkrieg war das Klischee von den „german Krauts“ mit freundlicher Unterstützung des Schlagersängers Gus Backus auch in den Köpfen anderer Nationen fest etabliert. So ganz unrecht haben sie ja nicht, man isst tatsächlich gerne Sauerkraut hierzulande, immerhin zwei Kilo pro Kopf und Jahr. Dass wir bei Kartoffeln und Fleisch viel hemmungsloser zulangen, wird allerdings übersehen. Auch die Geschichte liefert wenig Hinweise auf einen urgermanischen Brauch. Im Gegenteil: Es waren die Römer, die bereits vor 2 000 Jahren ihren ganzen Kohl in hölzernen oder irdenen Töpfen in Salzlake konservierten. Die Slaven und Orientalen, sogar die Menschen der Prähistorie haben das Säuern als einfache Methode des Haltbarmachens ebenfalls gekannt.

Milchsäuregärung nur unter Ausschluß von Sauerstoff
Daß Sauerkraut aus Weißkohl gewonnen wird, weiß wohl jeder. Wie das am besten geht, haben die mittelalterlichen Klosterküchen unseren Ahnen gründlich vorexerziert. Heute wie damals werden die Kohlköpfe von Hand geerntet, gesäubert und von den harten äußeren Blättern befreit. Beim abschließenden Putzen und Herausschneiden der Strünke rollen sie mittlerweile aber über das Band. In gleichmäßig feine Streifen geschnitten (gehobelt) und mit Meersalz versetzt gibt man den Weißkohl in große Bottiche, um die wichtigste Etappe der Sauerkrautherstellung, die Milchsäuregärung, einzuleiten. Omas Krautfass ist voluminösen, oft gigantischen Behältern gewichen, die Gärsilos der konventionellen Massenproduzenten fassen bis zu 120 Tonnen. Hier schuften Männer in hellen Gummistiefeln (nicht mehr barfuß!) im Schweiße ihres Angesichts, verteilen und pressen das Kraut mit einem Rüttelgerät und unter Einsatz ihres Körpergewichts. Ist diese Arbeit getan, schließt eine schwere, mit Wasser gefüllte Schwimmblase aus Plastik das Ganze luftdicht nach außen ab. Beschwerungssteine oder -hölzer sind nur noch bei kleinen Haushalts-Gärtöpfen zu finden und gehören ansonsten der Vergangenheit an.

Damit eine saubere Milchsäuregärung in Gang kommt, darf kein Sauerstoff in den Krautbehälter gelangen. Der Druck sorgt zusammen mit dem Salz dafür, dass die Flüssigkeit aus den Kohlzellen austritt und die restliche Luft zwischen den eingelagerten Schnitzeln verdrängt. Unter solchen anaeroben Bedingungen kann die natürliche Bakterienflora des Weißkohls ohne Zusatz sonstiger „Beschleuniger“ die Kohlenhydrate (vor allem Fruchtzucker) zu Milch-, Essigsäure und Kohlendioxid vergären. Das kurze Stadium der sauerstoffabhängigen Hefegärung wird so schnell übersprungen und die fortan dominierende Milchsäuregärung setzt bald ein. Durch das spezifische Gärungsmilieu wird der Gehalt an erwünschten Bakterien gefördert und die Zahl der unerwünschten Mikroorganismen reduziert. Bis die Milchsäure ihre konservierende Wirkung entfalten kann, die gleichzeitig eine alkoholische Gärung verhindert, schützt das Salz den Kohl vor dem frühen Verderb. Bei der Gärung bilden sich durch enzymatischen Abbau auch diverse Geschmacks- und Aromastoffe, nörgelnde Kostverächter sprechen hier bisweilen von Gestank.

Das Gros des Ware wird nach dem Abfüllen pasteurisiert
Je nach Jahreszeit und Gärtemperatur (am besten acht Grad) dauert die Gärung zwischen sechs Tagen und drei Monaten. Theoretisch zumindest, denn in der Praxis brechen die meisten Hersteller den Prozess schon nach sieben bis zehn Tagen ab. Dies hat den Vorteil, dass das Kraut nicht zu sauer schmeckt, außerdem braucht man dann weniger Salz (im Schnitt 1,5 bis 2,5 Prozent). Unsere Vorfahren müssten noch tiefer ins Salzfass greifen, weil sie lange Lagerungszeiten zu überbrücken hatten. Heute wird das Gros der Ware nach der Kurzgärung in der Lake blanchiert, in Dosen oder Gläser abgefüllt und nach dem Verschließen auch noch pasteurisiert. Vorher jedoch prüft man im Labor den Reifegrad und achtet auf einen Milchsäuregehalt von mindestens 50 Prozent. Normalerweise gelangen keine weiteren Zutaten ins Endprodukt, doch gibt es verschiedentlich Varianten mit Wein (ein Liter auf 50 Kilo Kraut) oder Ananasraspeln sowie Rezepturen mit Kräutern und Gewürzen. In den Konserven der marktbeherrschenden Großanbieter finden sich bisweilen auch überflüssige Beigaben wie Zucker, Zuckeraustauschstoffe, Ascorbinsäure und die Konservierungsmittel Ameisen-, Benzoe- oder Sorbinsäure.

Bio-Kraut aus Dithmarschen
Mit solchen fragwürdigen Manipulationen hat die Naturkost-Branche nichts im Sinn. Sie verwendet zudem nur kontrolliert biologischen Weißkohl, den sie ohne synthetische Dünge- und Spritzmittel anbaut. Am Pasteurisieren der Glas- oder Folienware führt aber auch hier kein Weg vorbei. Nur frisches Sauerkraut hat jedoch den vollen Nährstoffgehalt, zum Beispiel 60 Prozent mehr Vitamine. Um solches ständig anbieten zu können und gleichbleibende Qualität zu garantieren, schneiden wir in Bernsbach jede Woche neu ein. „Wir lagern nicht das Kraut, sondern nur den Kohl“. Der kommt aus dem traditionellen Anbaugebiet Dithmarschen in Holstein. Der Salzanteil, liege bei nur 0,8 Prozent, dadurch sei sein Sauerkraut besonders mild. Wir vergleichen das Einlegen von Sauerkraut mit dem Brauen von Bieren. Jeder Hersteller gebe seinem Produkt ein ganz eigenes Aroma, an dessen Entwicklung die spezifischen Bakterienkulturen in den Räumen sowie die Einflüsse von Kälte und Wärme teilhaben.

Prima Heilnahrung nicht nur bei Leiden an Magen und Darm
Sauerkraut gilt nach übereinstimmender Meinung vieler Mediziner als ausgesprochen bekömmlich und gesund. Der englische Weltumsegler James Cook hatte damit bereits 1775 seine Schiffsmannschaft vor Darmfäule, Skorbut und anderen Mangelkrankheiten bewahrt. Der berühmte Chirurg Ferdinand Sauerbruch empfahl Sauerkraut nach Operationen zum schnellen Schließen und Heilen von Narben und Pfarrer Sebastian Kneipp lobte es als Universalheilmittel bei Blutarmut, Nervenschwäche, Magen-Darm-Geschwüren und selbst bei Magenübersäuerung. Als weitere Indikationen werden oft genannt: Arteriosklerose, Rheuma, Gicht, Leberschwäche, Verstopfung, chronisches Asthma und Wurmleiden vor allem bei Kindern. Einen Großteil seiner Vorzüge verdankt das Sauerkraut der rechtsdrehenden Milchsäure, die potentiellen Krankheitserregern das Leben schwer macht. Milchsäurebakterien beugen Fäulnis nicht nur in Sauerkrautprodukten vor, sondern auch im menschlichen Darm. Das bei der Gärung entstehende Acetylcholin steigert die Blutzirkulation und bringt zusammen mit verschiedenen Faserstoffen die Darmperistaltik auf Trab. Alle milchsauren Erzeugnisse harmonisieren auf wunderbare Weise das Magenmilieu, gleichgültig, ob es zu viel Säure enthält oder zu wenig. Da die Kohlenhydrate bereits abgebaut sind, kann Milchsäure die Bauchspeicheldrüse aktivieren und damit die übrigen Verdauungsorgane entlasten, was für Diabetiker von hervorragender Bedeutung ist. Sauerkraut ist reich an Vitamin C (15 bis 20 Milligramm pro 100 Gramm), das die Abwehrkraft des Körpers gegen Infektionen erhöht. Beim Pasteurisieren wird es allerdings beschädigt. Nennenswerte Mengen der Mineralstoffe Calcium, Kalium, Natrium, Phosphor und Eisen machen die ernährungsphysiologischen Tugenden dieses kalorienarmen Lebensmittels komplett.

Der Phantasie der Köche sind keine Grenzen gesetzt
Qualitativ gutes Sauerkraut ist hell, knackig, hat einen feinsäuerlichen Geruch und einen angenehm würzigen Geschmack. Ist es unpasteurisiert, gärt es als lebendige Speise auch im Kühlschrank nach und sollte bald genossen werden. Für die Verwendung in der Küche sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Ob roh und unvermischt für die Puristen, in kalten Salaten, in Suppen, Aufläufen, als Füllung oder auch zum Gratinieren – immer erhalten Sie ein ebenso leichtes wie herzhaftes und wohlschmeckendes Gericht.

Der französische Naturarzt Maurice Mességué singt in seinem zum Klassiker gewordenen Buch „Die Natur hat immer recht“ ein Loblied auf den „Armendoktor“ und „König des Gemüsegartens“, den Weißkohl. Nach leidenschaftlicher Fürsprache erweist er am Ende in knappen Worten auch dem Sauerkraut seine Referenz. „Man tut also nur gut daran, den Kohl in all seinen Erscheinungsformen zu sich zu nehmen, als Saft, Rohkost, gedünstet und sogar als Sauerkraut, unter der Bedingung, dass man diesem äußerst gesunden Gemüse nicht allzu viele fette Würste hinzufügt“. Dem ist nichts hinzuzufügen.